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Geschichte von Fiumara
Die Fiumara von Tusa ist das Bett eines ausgetrockneten Flusses, der einst durch das Nebrodi-Gebirge floss. Nach einundzwanzig Kilometern mündete er in die ebenso trockene Halesa, der nur im Winter zu einem Bach wird. Die Landschaft wechselt zwischen steiniger Öde und üppigem Busch und bietet dem Wanderer, der etwas höher steigt, eindrucksvolle Ausblicke in die Nebrodi Berge oder/und auch zum entfernten Meer.
Die Idee der Fiumara d’Arte entsteht im Jahre 1982: Antonio Presti ist schon damals ein Sammler zeitgenössischer Kunst. Der Tod seines Vaters trifft ihn persönlich sehr, er beschliesst ihm ein Denkmal zu setzen und wendet sich dafür an den Bildhauer Pietro Consagra. Das Werk soll allerdings keine private Angelegenheit werden, etwa ein Stein für den eigenen Garten: von Anfang an soll das Monument ein Geschenk an die Allgemeinheit werden, und A. Presti plant die Aufstellung seines Werkes an der Mündung der „Fiumara“. Das Projekt ändert bald den ursprünglichen Charakter und wird erweitert. Schon denkt A. Presti an die Entstehung eines Kunstparks, wo sich die zeitgenössische Sprache mit der herben Schönheit der Natur verbindet.
Am Tag der Enthüllung von Consagra’s Kunstwerkes, dem 12. Oktober 1986, wird mit der Zustimmung der lokalen Bürgermeister, auch das Projekt des Skulpturenparks bekannt gegeben. Aus Vorsicht allerdings, lässt der Bürgermeister von Tusa in Folge einer Meldung der Aufsichtsbehörde von Messina, die Arbeiten einstellen. Mittlerweile hat A. Presti einen zweiten Bildhauer, Paolo Schiavocampo, angesprochen und ihm eine Skulptur in Auftrag gegeben, die an der Kreuzung zwischen der Straße nach Castel di Lucio und einem alten Landweg ihren Platz finden soll. A. Presti integriert dann das Werk auf eigene Kosten in einen Auftrag für die Instandhaltung der Straße, den seine Baufirma gerade ausführt.
Auch hat A. Presti den Maler Tano Festa sensibilisiert. Als er sein Atelier in Rom besucht, entdeckt A.Presti den Entwurf Monumento per un poeta morto (Denkmal für einen verstorbenen Dichter), das dem Bruder des Malers – Francesco Lo Savio – gewidmet ist. A. Presti möchte das Werk in monumentaler Größe auf die Strandpromenade von Villa Margi stellen. Der schon erkrankte Festa ist begeistert und die Gemeinde Reitano genehmigt die Ausführung aufgrund des Ansehens das der Künstlers geniesst, zumal das ganze Gebiet durch ein gänzlich durch den Antragsteller finanziertes Werk aufgewertet wird.
Das Werk von Schiavocampo, Una curva gettata alle spalle del tempo (Eine hinter die Zeit geworfene Kurve) wird am 30. Januar 1988 eingeweiht, anlässlich eines Wettbewerbes für Künstler unter vierzig, für das A.Presti eine internationale Jury eingeladen hat. Unter 55 vorgestellten Entwürfen werden die Zeichnungen von Antonio di Palma und Italo Lanfredini ausgewählt. Sie dürfen im Rahmen der Fiumara d’arte ihre Vorschläge aus Zement bauen.
Das Kunstwerk von Tano Festa, das die Einheimischen Finestra sul mare (Fenster zum Meer) genannt haben, wird am 24. Juni 1989 – im Jahr nach dem Tod des Künstlers – eingeweiht. Gleichzeitig erscheinen Stanza di barca d’oro (Zimmer des goldenen Bootes) von Hidetoshi Nagasawa , Energia Mediterranea (Mediterrane Energie) von Antonio di Palma und Labirinto di Arianna (Labyrinth der Ariadne) von Italo Lanfredini. Auch Arethusa, die farbige Verzierung der Carabinieri-Kaserne von Castel di Lucio, von Piero Dorazio und Graziano Marini, wird 1989 vollendet.
Die offizielle Eröffnung der „Fiumara d’arte“ fällt absurderweise mit ihrer Sperrung zusammen: am gleichen Tag wird ein Erlass gegen Finestra sul mare bekannt gegeben. Besetzung von Gemeingut, denn Strände und Flußtäler sind staatliches Gelände und unrechtmäßigem Bau. Fünf Gerichtsverfahren werden gegen die Kunstwerke der Fiumara eingeleitet und somit wird auch die Fertigstellung von Werken anderer Künstler - wie der Spanier Edoardo Chillida, Fausto Melotti und Arnaldo Pomodoro – gestoppt. Die Bürgermeister ziehen sich zurück und Presti steht ganz alleine vor der Justiz, lediglich von der Presse und der Künstlerwelt unterstützt.
Bruno Zevi, Giuseppe Calderini, Massimo Teodori und Francesco Rutelli unterschreiben eine Bittschrift ans Parlament: „der Minister für Kultur und Umwelt wird dringend gebeten, der Schändung und der Verfolgung des Projektes seitens der lokalen Behörden ein Ende zu setzen, da die Fiumara ein internationaler Betrag zu Kunst und Kultur in Sizilien geworden ist“. Trotz allem ordnet der Amtsrichter von Santo Stefano di Camastra, Giuseppe Costa, den Abriss der Skulptur von Consagra an und verurteilt A.Presti zu 23 Millionen Lire Strafe und zu 15 Tagen Gefängnis wegen unrechtmäßiger Bauweise und Verletzung des Galassi-Gesetzes, das in diesem Urteil ziemlich engstirnig ausgelegt wird. Da A. Presti in Berufung geht und weil zum Zeitpunkt des Urteils des Berufungsgerichts von Messina das Verfahren verjährt ist, wird die Skulptur allerdings nicht abgerissen. Mittlerweile schreitet der Kulturabgeordnete für die Region, Turi Lombardo, ein. Nach einer Ortsbesichtigung, sieht er die Vorgehensweise von A.Presti als konstruktive Herausforderung und sucht eine mit der Gesetzgebung vereinbare Lösung, damit die Werke gerettet werden können: „Wir Politiker müssen in der Lage sein, die Gefühle und die kulturellen Bedürfnisse der Menschen, die wir vertreten, zu verstehen; dementsprechend müssen wir unser Verwaltungswerk und unsere Gesetzgebung so phantasievoll gestalten, dass sie mit solchen Bedürfnissen harmonieren.“ Lombardo nominiert eine Kommission, die einen Weg finden soll, die Fiumara zu einem „regionalen Monument für die Förderung der Kunst“ zu erklären. Er verspricht den zügigen Erlass einer regionalen Verordnung. Es zeichnet sich eine Auseinandersetzung zwischen Verwaltung und Justiz ab und der Konflikt nimmt politische Ausmaße an. Obwohl die Aufsichtsbehörde von Messina auf ihrer feindlichen Haltung beharrt, räumt man jetzt offiziell immer mehr ein, dass die Werke der Fiumara keine Schändung der Landschaft darstellen, sondern im besten Fall die in den vergangenen Jahrzehnten betriebene Verunstaltung sanieren. Nun ist das Eingreifen der Politiker gut gemeint, es bringt allerdings kaum konkrete Ergebnisse, so dass bald alles stagniert. Am 10. Oktober 1990 wird A.Presti mit einem interessanten Urteil des Amtsrichters von Mistretta im Falle „Stanza di barca d’oro“ freigesprochen. Ein Beweis dafür, dass eine besondere Sensibilität für die Kultur eine durchaus aufgeklärte Interpretation der zum Schutz der Bürger erdachten Gesetzgebung zulässt: „es besteht keine Schändung der Landschaft, da der Begriff Schönheit abstrakt ist und somit schwer definierbar; das Gesetz Galasso findet keine Anwendung, da der Zweck der Fiumara eine künstlerische Aufwertung ist, und nicht die bauliche Ausbeutung des öden Gebietes der Nebrodi.
“ Dennoch geht die Oberstaatsanwaltschaft von Messina in Berufung und fasst die verschiedenen Verfahren gegen die Fiumara in einer Sammelklage zusammen. Mittlerweile eröffnet A. Presti im 1991 das Atelier sul mare, ein Hotel in Castel di Tusa und beauftragt verschiedene Künstler mit der Einrichtung der Zimmer. Das Hotel wird zu einem einzigartigen bewohnbaren Museum: Ausgangspunkt für Wanderungen in die Fiumara, Quartier für junge ausländische Künstler und für Kunstpilger, Ausstellungsraum für sizilianische Künstler in den Folgejahren. Die Geschichte dieses faszinierenden Gasthauses, wo ein Kunstwerk als zeitweiliger Wohnraum dient, ist mit der Entstehung der Fiumara eng verstrickt. A. Presti ist unermüdlich: noch im selben Jahr organisiert er in Pettineo, einem Dorf der Fiumara, die ungewöhnliche Veranstaltung „Un chilometro di tela“. Mehr als zweihundert Künstler malen ihre Spontanwerke auf eine überlange Leinwand, die durch die Strassen des Dorfes gespannt wird. Mittags werden die Künstler von den Dorfbewohnern zum Essen geladen, und am Abend wird das „ Bilderband“ zerschnitten und jeder Künstler schenkt seiner Gastgeberfamilie sein Bild. So entsteht das Museo Domestico. Dieses Projekt wiederholt sich in den Folgejahren.
Während der Prozess seinen Weg geht, dreht der chilenische Avantgarderegisseur Raoul Ruiz seinen Film Il viaggio clandestino. Vite di santi e peccatori (Die heimliche Reise. Leben von Heiligen und Sündern) im Gebiet der Fiumara. Gleichzeitig richtet er im Atelier das Zimmer La torre di Sigismondo (Der Turm vom Sigismund) ein. Anfang Oktober des selben Jahres lädt A.Presti vierzig Keramikkünstler aus ganz Europa ein, die die Stützmauer einer Straße der Fiumara dekorieren – Il muro della vita (Die Mauer des Lebens). Am 25. Oktober fällt das Berufungsgericht von Messina ein hartes Urteil: für Finestra sul mare wird der Abriss angeordnet. Das Kunstwerk gilt als unrechtmäßiger Bau und wird den 15.000 ohne Genehmigung errichteten Häusern in Sizilien gleichgestellt, deren Rettung ohne Erfolg versucht wurde. A.Presti wird auch für Una curva alle spalle del tempo verurteilt: 15 Tage Gefängnis, 15 Millionen Lire Entschädigung und 30 Millionen Geldstrafe. Die Verfahren gegen drei weitere Werke (Stanza di barca d’oro, Energia Mediterranea, Labirinto di Arianna) werden dagegen wegen Verjährung eingestellt. Es folgt die zweite Welle einer allgemeinen Mobilmachung: in Rom fördern Künstler und Intellektuelle die Intervention des Kulturministers, Alberto Ronchey; gleichzeitig geht eine Bittschrift mit 60 Unterschriften gegen den Abriss an die regionale Verwaltung. Zu Hilfe kommt ein neues regionales Gesetz über das unrechtmäßige Bauen: wenn das Rathaus das überwiegend „öffentliche“ Interesse eines Baus anerkennt, kann auf den Abriss desselben verzichtet werden (im Falle der Skulptur von Tano Festa mehr als deutlich): Im Rathaus bewegt sich aber nicht viel und im regionalen Rat bereiten die Abgeordneten von PDS (Linksdemokratische Partei) einen Gesetzentwurf für Fiumara vor.
Eine Unterschriftensammlung von mehr als 3.000 Vertretern der Kultur und der öffentlichen Meinung bewegt Mitte November den regionalen Beauftragten für Kultur und Umwelt dazu, eine Versammlung einzuberufen: damit scheinen die Institutionen das Schicksal der Fiumara endlich ernst zu nehmen. Im Palazzo dei Normanni in Palermo versammeln sich Künstler, Dichter und Gelehrte aus ganz Italien und plädieren für die Rettung der Skulptur von Festa. Aber auch diesmal geschieht nichts: nur durch seinen Einspruch beim Kassationsgericht kann A.Presti die bevorstehende Vernichtung aufschieben. Am 23. Februar 1994 schließt das Gericht das Verfahren ab und hebt die Anordnung zum Abriss, die Verfügungen des Berufungsgerichts und die Instanzen des Gerichts von Messina auf.
Im Kunsthotel Atelier sul mare feiert man mit der Einweihung von acht neuen Kunsträumen: Die Fiumara (und das Fenster) ist gerettet: Gerettet?
Weder die Region noch die Provinz oder die Gemeinde registrieren ihre Existenz. Niemand nimmt das Geschenk entgegen, niemand übernimmt die Erhaltungsarbeiten. Das Gebiet liegt zwar völlig abseits von den bekannteren touristischen Routen, ist aber nicht weit entfernt von dem vielbesuchten Cefalù, niemand ist allerdings daran interessiert, das beachtliche touristische und auch wirtschaftliche Potential zu nutzen. Niemand will die Fiumara adoptieren: sie ist wie ein zum Verderben verurteiltes Waisenkind. Und trotzdem bleiben die Werke von Tano Festa gut sichtbar in der Landschaft, Ziel der Kunstpilger. A. Presti ist mittlerweile immer mehr alleine gelassen und wird zudem von der Mafia verfolgt der er unbequem geworden ist mit dem erregten Aufsehen auf unrechtmässigem Bau. Er zieht um nach Catania; von dort will er verstärkt seinem sozialem Einsatz für das degradierte Randviertel Librino und für den Fluss Oreto in Palermo nachgehen. 2005 wird A.Presti klar, dass seine Kunstwerke immer mehr verfallen und dass die Pflege des Kunstparkes nicht mehr verschoben werden kann. A. Presti will das Desinteresse des Staates für die Fiumara nicht akzeptieren. Er reagiert mit der Aktion Il rifiuto del rifiuto (Die Ablehnung der Ablehnung). Am 22. April 2005 deckt er die Finestra sul mare mit einer großen blauen Plane ab und beschriftet sie mit dem Wort „geschlossen“ in diversen Sprachen. „Manche Menschen haben in ihrem Leben das Glück, Fenster zum Meer zu öffnen und diese Menschen haben auch die Macht, sie dann wieder zu schließen“. Mit seiner symbolischen Geste will A.Presti die Situation umkehren: er entzieht die Skulptur dem öffentlichen Blick und behauptet mit Vehemenz, dass die Bildhauerkunst auch lediglich als Gedanke – ganz losgelöst und unabhängig von der Materie selbst – existieren kann. Diesmal verklagt er alle Bürgermeister und die Region Sizilien wegen ziviler Untauglichkeit. Der Präsident der Republik Carlo Azeglio Ciampi reagiert auf den Aufruf und am 6. Januar 2006 – nach einem 25.jährigen Kampf – wird der Kunstpark Fiumara d’Arte anerkannt, während die regionale Verwaltung die offizielle Gründung des touristischen Kulturpfades unterstützt (Regionales Gesetz 6/06 : „Touristische Aufwertung, Nutzung und Erhaltung des Werkes Fiumara d’Arte“ unterzeichnet von den Abgeordneten Nino Beninati und Salo Fleres). Das Wort „Ende“ in dieser Geschichte krönt nicht nur einen lebenslangen Einsatz, es bedeutet vor allem einen „politischen“ Sieg der Kunst – der Sieg der Lebenskraft.
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